Die
Halbinsel Mani
Karges, wüstes Land. Nackter Fels, Feldsteinmauern, Wälle aus
Feigenkakteen. Harter Stein, jäh abstürzende
Bergschluchten.
Meeresbuchten und steile Vorgebirge, von Wind und Wellen zerfurcht. Geprägt
von dieser Landschaft die Manioten - rauher noch als der rauhe Fels,
unbeugsam in ihrer Freiheitsliebe, Herren der abweisend-steinernen Wohntürmen
die uns auf der Wanderung durch die Mani begleiten, erst einer, dann noch
einer, in Schussweite voneinander... Unten am Meer die kleinen Fischerdörfer,
oben an den Hängen des Taigetos die Bergdörfer. Itilo (Oitylos), weite
einsame Küstenlandschaft. Auf der Anhöhe gegenüber die mittelalterliche
Burg von Kelefa. Etwas weiter, unter dem Bergsturz der kleine Hafen Limeni,
und darüber der Taigetos, Heimat der strengen Göttin Artemis. Areopoli
-scharfkantiger Fels und weißer Stein, schroff und unnahbar die
Landschaft, kriegerisch auch der Name: Stadt des Ares, des Kriegsgottes.
,,Maniote" war und ist seit altersher gleichbedeutend für Mut und
Tapferkeit, und es war wohl nicht zuletzt diese Landschaft, die den
Charakter der Menschen hier geprägt hat. Das Dorf Pirgos Dirou - ringsum
nichts als Türme, darunter der bekannteste und meistfotografierte: der
Sklavounakou-Turm. Die berühmte Tropfsteinhöhle Dirou - unvergleichliche
Farbenpracht, ineinander
verschlungene
Stalagmiten und Stalaktiten, faszinierendes Formenspiel. Gleich dahinter
die kleine Bucht von Mezapos, übersät von verfallenen, düstergrauen Türmen.
Im Hintergrund, auf einem hohen Felsvorsprung die Große Maina, die
Frankenburg, die der Mani ihren Namen gegeben hat. Wohin man sieht, nichts
als Stein, dürres Gras, Feigenkakteen und ein paar wie verloren wirkende
Ölbäume. Gerolimenas - eine Handvoll Häuser hinter der Mole, an der
bunte Kaikis festgemacht haben. Rast in einer gastlichen kleinen Taverne -
friedliche Stille. Im Norden die Türme von Kitta und Nomia und im Süden
Alika, unter Feigenkakteen fast verschwunden. Etwas weiter die Steilküste
von Kiparissou; hier befand sich ein Roseidon-Heiligtum, die Heilige und
Orakelstätte der Lakonier und die Tempel der Demeter und Aphrodite. An
der kleinen Bucht von Marmari unweit von hier lag der Eingang zum Hades,
eine Höhle, in die Orpheus hinabstieg auf der Suche nach Eurydike. Dann
das Kap Tenaro (heute Kavos Matapas) mit dem großen Leuchtturm und gleich
darauf das Kap Porto Kagio, Brutstätte für Wachteln und Störche. (Die
Orte an der äußersten Südspitze sind nur schwer zu erreichen, am besten
umfährt man die Landspitze mit dem Kaiki).
Wogende Weizenfelder und silberngrüne
Oliverhaine, von Türmen beherrschte Höhen auf dem Weg nach Vathia,
der
eigentlichen Türme-Stadt: wie seltsame, aus dem Fels gewachsene Zacken
heben sich die Silhouetten dieser Trotzburgen gegen den Berg ab. Die
meisten von ihnen sind wieder hergerichtet worden und dienen jetzt als
Herbergen.
Der kretische Einfluss auf die Mani ist unübersehbar
- viele Manioten tragen noch Pluderhosen und Fransentuch wie die Kreter;
angetan mit bestickter Weste, um die Hüften den breiten Gürtel
geschlungen, stolze hochgewachsenen Figuren mit verwegenem Rauschebart und
buschigen Augenbrauen begegnen sie uns auf der Straße oder im Kafenion,
geradewegs dem Märchenbuch entsprungen. Unverändert, wie ihre
Erscheinung, sind die Sitten geblieben - man wird ins Haus gebeten, die
Raki-Flasche wird entkorkt, eine Süßigkeit gereicht und zum Schluss ein
Tässchen starker Kaffee. Einzigartig sind die Lieder und Tänze der Mani;
den Tod zu besänftigen, einen häufigen Gast in dieser lebensfeindlichen
Landschaft, und den Trauernden zum Trost sind hier ergreifende Lieder
entstanden, in Verse gefasste Totenklagen, an der
Bahre
von den schwarzgekleideten Klageweibern gesungen, archaisch wie die Klage
Andromaches um Hektor, Herakles um ihre Kinder, der Griechen um den Fall
Konstantinopels.
Die Straße führt nun nach Kotronas - felsiges Grau, hart, fast
feindlich; Häuser grau wie der Fels, malerisch die Bucht. Skoutari,
Kalivia, Pasaavas und Githio, der Hafen Spartas; aufgereiht an der langen
Mole Boote, Kaikis, Fährschiffe und dahinter Häuser, Geschäfte,
Tavernen. Draußen im Meer die Insel Marathonissi, heute mit dem Festland
verbunden - ein für die Griechen schicksalsschwerer Ort: hier soll Paris
die Nacht mit der schönen Helena verbracht und damit den Trojanischen
Krieg heraufbeschwört haben... Vom Ufer aus zu sehen der Tzannetakis-Turm
(heute Museum für Geschichte und Volkskunde). Auf einem Hügel im Norden
der Stadt sind Reste der antiken Akropolis erhalten. (Im Rathaus kann man
eine kleine Sammlung von Funden aus antiker und byzantinischer Zeit
besichtigen).
Zentral-Lakonien
Hauptstadt
Lakoniens ist wieder, wie vor Jahrtausenden, Sparta am Eurotas-Ufer,
nach der Befreiung Griechenlands an der Stelle der lange verschollenen
antiken Stadt neu gegründet. Wenig Antikes ist erhalten -Ruinen auf der
Akropolis, Reste des Heiligtums der liebesfeindlichen, erbarmungslosen
Artemis Orthia aus dem 6. Jh. v.Chr., des Grabmals des Verteidigers der
Thermopylen Leonidas (5. Jh. v.Chr.) und des Menelaions, des Heiligtums
des Menelaos und der Helena. In einem klassizistischen Gebäude im Zentrum
der Stadt ist das Museum untergebracht, mit interessanten Funden von den
Ausgrabungsstätten. Im frischem Grün dehnt sich ringsum die lakonische
Ebene, im Schatten der auch im Sommer schneebedeckten Gebirgskette des
Taigetos. Hochaufragende Gipfel und steile Abgründe. Weite Olivenhaine an
den sanft abfallenden Hängen. Pappeln, Trauerweiden und Platanen an den
Ufern des Eurotas. Gärten in allen Schattierungen des Grüns. Dörfer am
Rande der Straße -hier versteckt im Laub der Kastanien (Anavrito) oder
Platanen (Karies), dort eingenistet in die Bergwand wie ein Adlerhorst (Georgitsi).
Die einen mit Burgen und byzantinischen Kirchen (Geraki, Vresthena,
Vrondamas), die anderen friedlich - bukolisch. Ein Land, das sich
entdecken lassen will.
Mistra
- eine byzantinische Ruinenstadt
Ein
Besuch von Mistra ist wie ein Ausflug in die byzantinische
Vergangenheit Griechenlands. 5 km von Sparta liegt
diese Stadt mit ihren Kirchen und Palästen, den Bürgerhäusern und der
Burg wie ein Freilichtmuseum vor uns. Von dem fränkischen Fürsten
Guilleaume de Villehardouin 1249 als Stützpunkt errichtet, fiel die Burg
nach der für die Franken verheerenden Schlacht von Pelagonia (1259) in
griechische Hände und entwickelte sich sehr bald zu einer Bastion der
Byzantiner, einem Zentrum griechischer Kultur der letzten byzantinischen
Kaiserdynastie, das sich bis 1460 gegen die Türken behaupten konnte. Die
Franken hatten unterhalb ihrer uneinnehmbaren Burg zunächst Ritterpaläste,
Häuser für die Wächter und Lagerräume errichtet. Nach und nach
entstand am Hang des Hügels die Stadt, zwei - und dreistöckige Bürgerhäuser
mit eindrucksvollen Torbögen und Patrizierhäuser, die sich bis zum
Palast hinzogen, einem imposanten Gebäudekomplex der Paläologenzeit.
Noch gut zu erkennen sind der über 30 m lange Thronsaal, die Kapelle mit
Resten byzantinischer Wandmalereien und die Wohnräume mit den hohen
Spitzbogen - oder Rundfenstern. Die einzelnen Bauten, zu verschiedenen
Zeiten errichtet und den jeweiligen Bedürfnissen angepasst, sind deutlich
von der Bauweise in der Kaiserstadt Konstantinopel beeinflusst. Im Laufe
der zwei Jahrhunderte, die Mistra als byzantinischer Hauptstadt der
Peloponnes beschieden waren, sind innerhalb und außerhalb der Stadtmauern
viele Kirchen, Klöster und Kapellen gebaut worden, die in Bauweise und
sakraler Malerei die ganze Vielfalt der Stilrichtungen jener Zeit repräsentieren.
Die erste Kirche - auch chronologisch die erste - die einem beim Aufstieg
zur Oberstadt begegnet, ist die Mitropoli (Agios Dimitrios): unter der
Kirchenkuppel ist in den Boden eine Steinplatte mit dem byzantinischen
Doppeladler eingelassen, dem Symbol der Paläologen. Hier, neben dem reich
verzierten Thron, soll der Überlieferung nach Kaiser Konstantin bei
seiner Krönung gestanden haben. 1449 wurde Konstantinos Paläologos in
Mistra zum letzten Kaiser von Byzanz gekrönt, um vier Jahre später auf
den Mauern der von den Türken belagerten Reichshauptstadt Konstantinopel
zu fallen. Nur wenige Jahre später (1460) fiel auch Mistra. Der
Doppeladler zog die Krallen ein und Mistra, die glanzvolle Hauptstadt des
Despotats, sank zur Bedeutungslosigkeit herab. Im Westflügel der mit sehr
schönen Fresken ausgemalten Kirche ist ein Museum eingerichtet worden, in
dem u.a. der bedeutende Skulpturenschmuck zusammengestellt ist. An der
Nordseite der Stadtmauer sehen wir die beiden eindrucksvollsten Kirchen,
die Theodorenkirche und die Panagia Odigitris (Afendiko), mit ebenfalls
großartigem Freskenschmuck. Nahe dem höchsten Burgtor die Agia Sophia
und an der Ostseite des Hügels das Pandanassa-Kloster aus dem 15. Jh.,
mit Wandmalereien in leuchtenden Farben und einer Kirche, die durch ihre
ausgewogenen Proportionen auffällt. Das Kloster ist das am besten
erhaltene Bauwerk in Mistra und als einziges heute noch von
gastfreundlichen Nonnen bewohnt. Durch die engen, verwinkelten Gassen der
toten Stadt wandernd kommt man schließlich zum Perivleptos-Kloster
unmittelbar unterhalb des steilen Burgfelsen, mit wunderbarem
Freskenschmuck. Hier beginnt nun der Aufstieg zur Burg, über gewundene
Treppen, durch Bogengänge und Innenhöfe. Überall Ruinen, eingestürzte
Mauern, verfallene Wehrtürme, geborstene Platten, in Trümmer gefallene
Herrenhäuser. Zu Füßen des Burgberges die weite Ebene, und über allem
ein Hauch vergangener Größe. Ein steiler Pfad führt hinauf zum Gipfel,
zur Burg. Im Schutz dieser schon durch ihre Lage uneinnehmbaren Festung
mit ihren mächtigen Türmen und Wehranlagen konnte sich Mistra in
byzantinischer Zeit zu einem bedeutenden geistigen Zentrum entwickeln;
Metropoliten, Fürsten, aufgeklärte Abte, Gründer philosophischer
Schulen, Mönche, Künstler, Größen des Geisteslebens wie Pachomios,
Nikephoros Moschopoulos und Plethon Gemistos haben diese Stadt zur Wiege
der Renaissance in Europa werden lassen.
Südost-Lakonien
Der
letzte Finger der peloponnesischen Hand grenzt im Westen an den
Lakonischen Golf und im Osten an die
Myrtoische
See. Zu beiden Seiten und entlang der Straße, die ins Landesinnere führt,
reihen sich Dörfer. Der Ostküste am Mytroischen Meer vorgelagert erhebt
sich der massige, seltsam geformte Felsblock von Movemvassia, einst
Burgberg der Byzantiner und Venezianer und mit dem Festland nur durch
einen schmalen langen Sanddamm verbunden - dem ,,einzigen Eingang" (moni
emvassia) zur Burg. Hier ist die Zeit im Mittelalter stehen geblieben.
Burgen und Festungsmauern, Herrenhäuser und Hütten der Armen, enge
gepflasterte Gassen, halbverfallene Kirchen, niedrig überwölbte Gänge,
zertrümmerte Stufen. Deutlich spürbar überall der prägende Einfluss
von Byzanz und Venedig - geschwungene Bögen, Wappen, marmorne
Kaiserthrone, byzantinische Kirchen (die ,,Elkomenos", d.h. die dem
zum Kreuz gezogenen Christus geweihte), alles vermittelt den Eindruck des
Unwirklichen und übt doch eine so suggestive Wirkung auf den Besucher
aus, dass man zuweilen Ritter in Rüstung, Kaiser und Metropoliten vor
sich zu sehen glaubt. Nördlich von Monemvassia die mittelalterlichen, auf
Hügeln erbauten Dörfer von Zaraka, mit Ruinen von Burgen, Kirchen und Häusern,
die heutigen Siedlungen heißen immer noch wie damals: Harakas, Rahia,
Gerakas, Ai Dimitris, Giotsoli und Kiparissi. 61 km von Movemvassia, das Küstenstädtchen
Neapoli, der letzte Hafen der Spartaner am Lakonischen Golf. Strand und
Sandbuchten, Quellbäche unter Platanen und Kastanien (Paradissi), in
allen Farben schillernde Tropfsteinhöhlen (Kastania), Tavernen und
Kaffeehäuser, geruhsamer Lebensrhythmus einer südlichen Hafenstadt.
Gegenüber Elafonissi, eine Insel zum Träumen - Baden im Meer, Angeln,
Sonne und Sand, Sonnenuntergänge und Mondenschein, Oktopus in Weinsoße,
Fischsuppe und andere verlockende Spezialitäten - was braucht man mehr?
14 Seemeilen vor Neapoli liegt Kithira, die Insel der Liebe und ihrer Göttin,
Aphrodite. Man braucht nicht lange zu suchen, um auf antike Tempel zu stoßen,
byzantinische Kirchen und Klöster, venezianische Burgen, Tropfsteinhöhlen
und kleine Seen, Dörfer wie auf den Ionischen Inseln, und wenn man sich
von all dem erholen will, findet sich immer auch irgendwo ein Strand, eine
Bucht mit bunten Muscheln im Sand, eine grüne Au oder ein bewaldeter Hügel
mit zwitschernden Vögeln. 29 Seemeilen von Kithira entfernt liegt
Andikithira, eine kahle Felseninsel, die vor allem als Fundort der berühmten
Statue des ,,Jünglings von Antikythere" bekannt geworden ist.
Inseln, um alles um sich her zu vergessen und einfach aufs Meer
hinauszuschauen - in der heimlichen Hoffnung, Aphrodite möge noch einmal
schaumgeboren aus den Wellen auftauchen...